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Sonntag, 28. Februar 2010

Endlich !



Endlich eine, wenn nicht DIE qualifizierteste Stimme im Heer derer, die meinten, sich zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 09. Februar 2010 äußern zu müssen. Hans-Jürgen Papier, der scheidende Präsident des Bundesverfassungsgerichts, hat heute in der "Welt am Sonntag" auch zu diesem Urteil Stellung genommen.
Zur Erinnerung: Es ging um die Frage, ob die Höhe der Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für Erwachsene und Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Umfang und Höhe der Regelleistung bestimmen sich derzeit nach § 20 SGB II. In dieser Norm ist auch die Anpassung und Neuberechnung der Leistung geregelt. Einfluss auf deren Höhe haben demnach die Rentenentwicklung sowie die Ergebnisse regelmäßiger Einkommens- und Verbrauchsstichproben. Individuelle Erhöhungen für einzelne Hilfebedürftige sind jedoch ausgeschlossen. Lediglich die Erbringung von Zusatzleistungen in Form von Sach- und Geldleistungen als schnell zu tilgendes Darlehen sind in § 23 SGB II vorgesehen. Schließlich besteht die Möglichkeit der Leistungsgewährung in atypischen Bedarfslagen nach § 73 SGB XII. Eine dreiköpfige Familie hatte geltend gemacht, bereits die Regelleistung reiche nicht zur Sicherung des Existenzminimums aus. Nach dem regulären Gang des Verfahrens hatte das Hessische Landessozialgericht schließlich das Berufungsverfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Regelleistungen zur Entscheidung vorgelegt. Das Bundesverfassungsgericht hat daraufhin die bisherigen Vorschriften über die Regelleistung für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt. Der Gesetzgeber ist nun verpflichtet, bis zum 13.Dezember 2010 eine verfassungskonforme Neuregelung zu schaffen. Dabei hat er "zur Ermittlung des Anspruchsumfangs alle existenznotwendigen Aufwendungen in einem transparenten und sachgerechten Verfahren realitätsgerecht sowie nachvollziehbar auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren zu ermitteln.", so der Leitsatz des Bundesverfassungsgerichts. Weiter heißt es:"Der Gesetzgeber kann den typischen Bedarf zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums durch einen monatlichen Freibetrag decken, muss aber für einen darüber hinausgehenden unabweisenden, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarf einen zusätzlichen Leistungsanspruch einräumen" Bis dahin gelten allerdings die bisherigen Regelungen fort.
Kaum, dass dieses Urteil verkündet war, stürzten sich Verbände, Politiker und Medien darauf, um, gewollt oder nicht, zumindest bei vielen Betroffenen den Eindruck zu hinterlassen, nun würden umgehend die Regelsätze erhöht. Ein bezifferbarer höherer Anspruch ist jedoch weder dem angesprochenen Urteil noch dem Grundgesetz selbst zu entnehmen. Vielmehr hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich keinen Anspruch auf eine bestimmte Höhe von staatlichen Leistungen formuliert, wie der scheidende Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier in einem heute in der "Welt am Sonntag" veröffentlichten Interview nochmals klargestellt hat. Bleibt zu hoffen, dass dieser Hinweis, der den Blick auf eine realistische Einschätzung der weiteren Entwicklung lenkt, nicht ungehört verhallt. Es sollte nämlich nicht verkannt werden, dass der Gesetzgeber nun (auch) die Möglichkeit hat, eine Senkung der Regelleistungen nachvollziehbar darzulegen. Immerhin ist in der Vergangenheit bereits vereinzelt die Senkung der Regelleistungen gefordert worden. Darüber hinaus würde dies den leeren Kassen der Öffentlichen Hand sicher entgegen kommen. Ob allerdings ein solches Vorgehen das Vertrauen der Bürger in ihren Staat und damit die Bereitschaft, für diesen etwas zu tun, stärkt, darf bezweifelt werden. Letztlich bleibt somit der Blick gespannt auf den 01.01.2011 gerichtet.