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Montag, 22. Februar 2016

Kosten für Fahrten zum Kindergarten

Wie jetzt das SG Mainz entschieden hat, muss das Jobcenter die Kosten für die Beförderung eines Kindes zur Kindertagesstätte nicht übernehmen (28.01.2016, Az. S 8 AS 1064/14).

Das Sozialgericht war der Ansicht, dass die Klägerin, eine alleinerziehende Mutter und Bezieherin von Leistungen nach dem SGB II, die Beförderungskosten aus der Regelleistung sowie aus dem entsprechenden Mehrbedarf für Alleinerziehende bestreiten muss.

Die Klägerin hatte für ihr dreijähriges Kind von der Stadt Mainz einen Kita-Platz erhalten, der allerdings nicht in der Nähe ihrer Wohnung lag. Für die werktägliche Beförderung des Kindes zum Kindergarten beantragte sie daher die Kostenübernahme für eine Monatskarte des öffentlichen Personennahverkehrs.
Das Sozialgericht hat jedoch keinen unabweisbaren Bedarf gesehen. Es sei insofern zu beachten, dass der Besuch des Kindergartens anders als der Schulbesuch freiwillig sei. Außerdem werde die Klägerin durch den Kindergarten in ihren Betreuungs- und Erziehungsaufgaben entlastet. Mit der Monatskarte habe die Klägerin schließlich die Möglichkeit, nicht nur Fahrten zum Kindergarten, sondern auch sonstige Fahrten zu bestreiten.

Das Urteil wird hier durchaus kritisch gesehen.
Zwar ist der Besuch des Kindergarten - theoretisch - freiwillig. Das Sozialgericht übersieht allerdings, dass von der Klägerin und Leistungsempfängerin im Rahmen des Grundsatzes des Forderns i. S. d. § 2 SGB II erwartet wird, dass sie alle Möglichkeiten nutzen muss, ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften zu bestreiten und an allen Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit aktiv mit zu wirken hat.
Welche Möglichkeiten hat aber eine allein erziehende Mutter, einen Arbeitsplatz zu finden, wenn sie zugleich keinen - da ja angeblich freiwillig - Betreuungsplatz für ihr Kind in Anspruch nimmt ? Faktisch erfolgt daher im Bereich der Grundsicherung und des Niedriglohnsektors die Inanspruchnahme eines Betreuungsplatzes durch Alleinerziehende gerade nicht freiwillig, sondern gezwungenermaßen, um überhaupt die Möglichkeit zu schaffen, einen Arbeitsplatz zu erhalten und damit im Übrigen auch der Verpflichtung aus § 2 SGB II nachzukommen.
Wenn das Sozialgericht Mainz sodann noch die Ansicht der Behörde bestätigt, die Klägerin könne die Beförderungskosten aus dem im Arbeitslosengeld II hierfür enthaltenen Betrag bestreiten, so kann insofern in beschämender Weise sowohl die Unkenntnis der Gesetzeslage sowohl auf Seiten der Behörde als auch des Gerichts nicht ausgeschlossen werden.
Vorbehaltlich der Kenntnis des konkreten Sachverhalts ist im Regelbedarf der Regelbedarfsstufe I ein Betrag von 22,78 € monatlich für den Bereich "Verkehr" enthalten.
Allerdings kostet eine Monatskarte für Erwachsene jedenfalls im Februar diesen Jahres ausweislich der Tarifinformation des MGV bereits 78,20 €. Es darf unterstellt werden, dass diese in den Jahren zuvor nicht wesentlich günstiger war. Es dürfte also bereits auch dann unmöglich für die Klägerin gewesen sein, die Beförderungskosten aus der Regelleistung zu tragen. Hier den Einsatz des Mehrbedarfs für Alleinerziehende zu fordern, dürfte sicherlich dessen Sinn und Zweck widersprechen.
Insgesamt daher aus hiesiger Sicht ein fragwürdiges Urteil des SG Mainz.


Montag, 15. Februar 2016

Cannabis von der Krankenkasse

Auch wenn in des Sache tatsächlich eigentlich keine Leistungspflicht der Krankenkasse bestehen sollte, so tritt nach der gesetzlichen 5-Wochen-Frist des § 13 Abs. 3a SGB V eine Genehmingungsfiktion ein, wenn die Kasse diese Frist zur Entscheidung über den Antrag des Versicherten nicht eingehalten und ihm die Gründe hierfür nicht rechtzeitig schriftlich mitgeteilt hat.
So das Sozialgericht Dortmund am 22.01.2016 entschieden (Az. S 8 KR 435/14).

Im zugrunde liegenden Fall litt ein Versicherter der Barmer GEK aus Witten nach einem Unfall an schweren chronischen Schmerzzuständen und verfügte über eine betäubungsmittelrechtliche Sondergenehmigung zum Erwerb von Medizinal-Cannabisblüten. Die Barmer GEK holte eine medizinische Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse (MDK) ein und lehnte die Kostenübernahme zweieinhalb Monate nach Antragstellung ab, weil es sich bei Cannabisblüten weder um ein Arzneimittel noch um eine Rezepturvorbereitung handele. Auch stünden für den Versicherten geeignete analgetisch wirksame Medikamente zur Verfügung.

Das Sozialgericht Dortmund hat allerdings die Krankenkasse mit dem obigen Hinweis auf § 13 Abs. 3a SGB V verurteilt, die Kosten für die monatliche Versorgung des Klägers mit 56 g Cannabisblüten entsprechend der Verordnung des behandelnden Arztes zu tragen.  
Durch die gesetzlich fingierte Leistungsgenehmigung sei die Leistungsberechtigung wirksam verfügt und die Krankenkasse mit allen Einwendungen ausgeschlossen. Eine nachträglich inhaltliche Überprüfung laufe dem Zweck der Genehmigungsfikton des Patientenrechtegesetzes aus 2013 entgegen, generalpräventiv die Zügigkeit des Verwaltungsverfahnrens der Krankenkassen zu verbessern.


Ihre Fachkanzlei für Sozialrecht: Störmer & Hiesserich Rechtsanwälte in Steinfurt.

Mittwoch, 3. Februar 2016

"Mütterrente" verfassungsgemäß

In einer Grundsatzentscheidung hat das LSG NRW das "Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung" vom 23.06.2014 betreffend die bessere Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten bestätigt (15.12.2015, Az. L 21 R 374/14).

Nach Auffassung des LSG ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Gesetz für vor 1992 geborene Kinder Kindererziehungszeiten von (lediglich) 24 Monaten vorsieht.
Weder der Auftrag des Grundgesetzes zum Schutz und zur Förderung von Ehe und Familie noch der allgemeine Gleichheitssatz gebiete eine weitergehende Anerkennung. Der Gesetzgeber habe einen Spielraum, wie er einen sozialen Ausgleich für Kindererziehung ausgestaltet. Eine solch komplexe Reform wie die Berücksichtigung von Kindererziehung bei der Altersversorgung dürfe in mehreren Stufen umgesetzt werden. Mit der Anhebung der Kindererziehungszeit von einem auf zwei Jahre für vor 1992 geborene Kinder habe der Gesetzgeber die bis dahin bestehende Ungleichbehandlung vermindert und damit die Forderungen des BVerwG, die Benachteiligung von Familien zu reduzieren, entsprechen.

Die Revision zum BSG wurde nicht zugelassen, da die Rechtslage durch die Rechtsprechung des BVerfG geklärt sei.


Rechtsanwalt Störmer ist als Fachanwalt für Sozialrecht bundesweit für Sie tätig.