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Donnerstag, 4. August 2016

Vorläufige Leistungen des Jobcenter bei Zweifeln an der Erwerbsfähigkeit

Auch bei Zweifeln an der Erwerbsfähigkeit sind Jobcenter so lange zur vorläufigen Zahlung von Leistungen verpflichtet, bis eine Erwerbsunfähigkeit beim Leistungsempfänger sicher festgestellt ist. Bis dahin ist eine Verweisung an den Sozialhilfeträger nicht zulässig.

Das hat das LSG NRW in einem Eilverfahren klargestellt (09.06.2016, Az. L 9 SO 427/15 B ER).

Jobcenter dürfen demnach fehlende Erwerbsfähigkeit nicht annehmen, ohne zuvor den Sozialhilfeträger hinzugezogen zu haben. Die Behörden seien insofern zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit verpflichtet. Jobcenter seien deshalb auch gehalten, dem Sozialhilfeträger etwaige Gutachten über eine fehlende Erwerbsfähigkeit zu übermitteln, anzufragen, wie der Sozialhilfeträger die Erwerbsfähigkeit beurteilt und ggf. eine angemessene Frist zur abschließenden Äußerung zu setzen. Erst wenn eine solche abgelaufen sei, ohne dass der Sozialhilfeträger sich geäußert hat, sei das Jobcenter berechtigt, Leistungen zu verweigern und den Betroffenen an das Sozialamt zu verweisen. Im Zweifel sei das Jobcenter entsprechend den gesetzlichen Vorgaben verpflichtet, ein Gutachten des Rentenversicherungsträgers einzuholen, der über die Erwerbsfähigkeit verbindlich entscheidet.

So soll verhindert werden, dass ein Antragsteller bei fraglicher Erwerbsfähigkeit "zwischen die Stühle" gerate und gar keine Leistungen, weder vom Jobcenter noch vom Sozialamt, erhalten.


Der Autor ist zugleich Fachanwalt für Sozialrecht und Fachanwalt für Strafrecht.