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Dienstag, 4. Dezember 2018

Beratungspflicht des Sozialhilfeträgers nach § 14 SGB I


Jeder Bürger hat einen subjektiven Anspruch auf Beratung über ihn betreffende Fragen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme sozialer Rechte oder der Erfüllung sozialrechtlicher Pflichten, § 14 SGB I.
Dieser Anspruch richtet sich gegen alle Leistungsträger i. S. d. §§ 12, 18 bis 29 SGB I, denen gegenüber die Rechte geltend zu machen oder die Pflichten zu erfüllen sind.
Allerdings enthält § 14 SGB I weder eine Definition, was unter eine Beratung fällt, noch enthält er Angaben über die Art und den Umfang der Beratungspflicht.

Der 3. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat nunmehr in seinem jetzt veröffentlichten Urteil vom 02.08.2018 (III ZR 466/16) unter Rückgriff und Bestätigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts konkretisiert, welche Anforderungen an Sozialleistungsträger im Rahen der ihnen obliegenden Beratungspflicht gestellt werden.

Demnach gilt Folgendes:
  • Beratungspflichten treffen grds. ALLE Sozialleistungsbehörden, also nicht nur die, denen gegenüber Rechte und Pflichten geltend zu machen bzw. zu erfüllen sind, sondern auch solche, die nicht für das konkrete Anliegend des Bürgers zuständig sind.
  • Zwar setzt die Beratungspflicht normalerweise ein Beratungsanliegen des Bürgers voraus. Allerdings muss eine Beratung auch dann erfolgen, wenn für die angesprochene Behörde ein zwingender Beratungsbedarf erkennbar ist bzw. wenn sich aus den Umständen eine naheliegende Gestaltungsmöglichkeit ergibt ("Spontanberatung"). Das bedeutet, dass der angesprochene Sachbearbeiter prüfen muss, ob ein Anlass besteht, auch von Amts wegen auf Gestaltungsmöglichkeiten oder Nachteile hinzuweisen, die mit dem vorgebrachten Ansinnen in einem Zusammenhang stehen, auch wenn sie außerhalb seiner eigenen Zuständigkeit liegen.
  • Wegen des Ineinander-Greifens müssen dabei auch Regelungen außerhalb des eigenen Zuständigkeitsbereichs beachtet werden. Auch und gerade, wenn der zunächst angesprochene Leistungsträger nicht in der Lage ist, die Beratung selbst durchzuführen, ist er verpflichtet, den Betroffenen an den zuständigen Leistungsträger weiter zu verweisen und nötigenfalls dessen Tätigenden zu veranlassen.
Durch die breite Fächerung und vielfältige Zuständigkeiten im Sozialleistungssystem ist für den juristischen Laien oft nur schwer zu durchschauen, wer für ein bestimmtes Anliegen zuständig ist und welche Rechte man wo geltend machen kann.
Die Anforderungen an eine fehlerlose Beratung durch die Sozialleistungsträger, die der BGH nunmehr im Einklang mit der BSG-Rechtsprechung nochmals bestätigt hat, sind daher hoch und verlangen von den angesprochenen Sachbearbeitern über das eigene Fachgebiet hinaus umfassende sozialrechtliche Kenntnisse, um Zusammenhänge zu erkennen, einwandfrei zu beraten und ggf. an andere Leistungsträger weiter zu verweisen.

Die Entscheidung des BGH macht außerdem nochmals deutlich, dass im Falle einer Fehlberatung genau abgewogen werden sollte, auf welchem Weg der Betroffene seine hieraus resultierenden Rechte geltend macht. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch führt hier keineswegs immer zu Ziel. In Betracht gezogen sollten in derartigen Fällen immer auch Amtshaftungsansprüche.