Seitdem sind viele sinnvolle und viele sinnlose Vorschläge gemacht worden, wie man dem speziellen Bedarf von Kindern gerecht werden kann.
Am 18.08.2010 hat nun das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) ein neues Bildungspaket für bedürftige Kinder und Jugendliche vorgestellt. Es beinhaltet folgende Kernpunkte:
- Schulbasispaket: Bezuschusst werden sollen Bücher, Schreibwaren und Schultaschen. 70 Prozent sollen am Anfang des Schuljahres und 30 Prozent zum 2. Halbjahr ausgezahlt werden. Die Eltern müssen durch eine Quittung nachweisen, dass das Geld zweckgebunden verwendet wurde. Ferner sollen Kosten für eintägige Schulausflüge übernommen werden.
- Schul- und Kita-Mittagessen: Es soll gewährleistet werden, dass auch bedürftige Kinder und Jugendliche, deren Eltern die Kosten für ein Mittagessen in der Schule oder im Kindergarten nicht aufbringen können, ein solches erhalten.
- Lernförderung: Wenn nach Einschätzung von Lehrerinnen und Lehrern Bedarf für Lernunterstützung besteht, kann eine solche beim Jobcenter oder der zuständigen Optionskommune beantragt werden.
- Kultur-, Sport- und Ferienangebote: Zukünftig soll eine Teilnahme bedürftiger Kinder und Jugendlicher durch die Jobcenter oder Optionskommunen unterstützt und gefördert werden.
Bei alledem soll die viel diskutierte Bildungskarte dafür sorgen, dass die Leistungen auch tatsächlich bei Kindern und Jugendlichen ankommen.
So unstreitig löblich die nun vom BMAS in Angriff genommenen und vielfarbig bebilderten Vorhaben sind, so sollte doch nicht vergessen werden, dass diese eigentlich längst überfällig waren und auch jetzt erst auf Anmahnung des höchsten deutschen Gerichts erfolgen.
Auch die praktische Umsetzung läßt dringliche Fragen offen. So betont die Präsentation des BMAS, durch den Einsatz der Bildungskarte komme es nicht zu Diskriminierungen, da ja alle bedürftigen Kinder und Jugendlichen eine solche Karte erhielten. Welche Lebensferne muss einer solchen Einschätzung zugrunde liegen ?! Es wäre wohl nicht nur moralisch äußerst fragwürdig, wenn nicht alle bedürftigen Kinder eine solche Karte erhielten, sondern auch ein eklatanter Verstoß gegen Artikel 3 des Grundgesetzes, der die Gleichbehandlung (aller vergleichbaren Menschen) explizit gebietet. Der Blick muss allerdings vielmehr darauf liegen, ob eine Diskriminierung dadurch entsteht, dass einige aus der Gesamtgruppe "Kinder" eine solche Karte erhalten und einige nicht. Da es wohl kaum einen deutlicheren Weg gibt, nach außen sichtbar zu machen, wer bedürftig ist und wer nicht, dürfte für jeden praktisch denkenden Menschen die Diskriminierung durch den Einsatz einer solchen Karte offen auf der Hand liegen. Dass die neuen Leistungen direkt bei den Kindern und Jugendlichen ankommen sollen, ja sogar müssen, dürfte ebenso unstreitig sein. Allerdings sollte die verwaltungsrechtliche Abwicklung nochmals dringend überdacht werden, wenn den Kindern und Jugendlichen aus den gut gemeinten und notwendigen Vorteilen nicht wesentlich größere Nachteile in Form von sozialer Stigmatisierung erwachsen sollen.
Ferner darf man gespannt sein, welche Kultur-, Sport- und Ferienangebote unterstützt und gefördert werden. Bisher wurde in den Medien vielfach der Eindruck erweckt, durch das Bildungspaket sei eine neue Zeit angebrochen, bei dem nun alles für alle möglich wird. Ist bisher niemandem aufgefallen, dass die meisten solcher Angebote allein schon durch die entsprechende Ausrüstung enorme Kosten verursachen ? Bei der derzeitigen Kassenlage dürfen erhebliche Zweifel erlaubt sein, ob den vollmundigen Ankündigungen von Kultur- und Freizeitangeboten für alle auch entsprechende Taten folgen.
Was ist mit dem Jungen, der das Klavierspielen für sich entdeckt ? Wird er ein Klavier für mehrere tausend Euro erhalten, damit er täglich üben kann ? Ansonsten ist nämlich kein sinnvoller Musikunterricht möglich. Was ist mit dem Mädchen, dass sich für Biathlon als Sport entscheidet ? Wird hier die entsprechende (Sicherheits-)Ausrüstung mitsamt Munition über mehrere Jahre gesponsert werden ? Oder sind die vollmundigen Ankündigungen gar nicht so gemeint und eine wirklich interessenorientierte Auswahl von Freizeitmöglichkeiten gar nicht möglich ? Man wird sehen, ob sich die Auswahl schließlich auf das Singen in einem Chor und Schwimmen beschränkt ....